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Haltungshilfen für die Gitarre

Michael Koch, Mainz

Haltungshilfen für die Gitarre haben die Aufgabe, das Instrument in eine ergonomisch möglichst sinnvolle Position zum Körper zu bringen und dort zu halten. Dies gelingt nur unter der Bedingung, dass die Abmessungen des Instruments und die Höhe der Sitzgelegenheit mit der Körpergröße korrespondieren.

Als grober Richtwert für die Instrument-Körper-Relation mag gelten: Die Gitarre mit 65 cm Mensur passt für einen Menschen von 180 cm Körperhöhe. Anders aus-gedrückt: Die Mensurlänge sollte etwa das 0,36fache der Körperhöhe betragen (180 x 0,36 = 65). Diese Relation zu beachten ist um so wichtiger, je weniger eine Gitar-renspielerin/ein Gitarrenspieler im Umgang mit dem Instrument erfahren ist; “trainierte” Spielerinnen und Spieler verkraften schon eher eine eigentlich zu große Gitarre. – In dem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass es Gitarren mit 63er Mensur gibt, die in klanglicher Hinsicht den besten 65er Gitarren hörbar ebenbürtig sind.

Zur Sitzgelegenheit nur so viel: Ihre Höhe sollte so bemessen sein, dass die Oberschenkel, bei senkrecht stehendem Unterschenkel, in die Waagrechte kommen, keinesfalls zum Knie hin abfallen. Andernfalls muss die Fußbank so hoch eingestellt werden, dass die Gesamthaltung zum Balanceakt wird, bzw. gerät die Gitarrenstütze ins Rutschen, was ebenfalls für Instabilität sorgt.

Geht es um Haltungshilfen für die Gitarre, so denkt man als erstes an die Fußbank. Die Nachteile ihres Gebrauchs sind hinlänglich bekannt: Spitzer Winkel im linken Hüftgelenk, je nach Position der Fußbank auch im linken Kniegelenk, außerdem Vornübergeneigtheit und Linksdrehung des Oberkörpers. Insgesamt: Linkslastige Körperhaltung. Die Linkslastigkeit der Fußbankhaltung resultiert wesentlich daraus, dass die Arbeitsbereiche der Hände nicht symmetrisch zur Körpermitte angeordnet sind, sondern nach links verschoben: rechte Hand vor der Körpermitte, linke links neben dem Körper. Die damit einhergehenden Probleme kann man zwar vermindern (z.B. Carlevaro-Haltung), jedoch nicht beseitigen. Darin dürfte auch der Grund zu sehen sein für die zunehmende Beliebtheit von Gitarrenstützen, wie sie seit Mitte der 80er Jahre im Handel sind. Um sie soll es im Anschluss gehen.

Die Anforderungen, die an sie zu stellen sind, können auf folgende Weise umrissen werden: Um die individuell beste Position der Gitarre zum Körper zu finden, sollte eine Gitarrenstütze eine möglichst große Variabilität der Instrumentenpositionierung erlauben. Das bedeutet im Einzelnen: Die Gitarre soll in verschieden hohe Position am Körper gebracht werden können. – Der Halswinkel soll (unabhängig von der Höhenpositionierung) veränderbar sein. – Die Gitarrendecke soll senkrecht stehen oder zum Spieler hin mehr oder weniger geneigt werden können. – Die Gitarre soll (ohne Veränderung des Halswinkels) parallel zur Frontalebene der Spielerin/des Spielers nach rechts/links verschoben bzw. in eine Position rechts am Brustkorb anliegend gebracht werden können. – Natürlich soll die Stütze am Instrument sicher fixierbar sein.

Die einzige Gitarrenstütze, die all diesen Anforderungen entspricht, heißt „GR 2“, wird aus Japan importiert und ist immer wieder nur schwer lieferbar – allem Anschein nach aber nicht wegen übergroßer Nachfrage, sondern ganz im Gegenteil: Das prothesenhafte Aussehen der verchromten Ausführung schreckt vom Kauf ab und sorgt auf diese Weise für mangelnde Motivation des Importeurs. Dabei handelt es sich bei dieser Stütze um die vielleicht funktionstüchtigste am Markt; und das brünierte (geschwärzte) Modell der „GR 2“ (nur unwesentlich teurer) sieht sogar recht unauffällig aus. – Spätestens, wenn man den mitgelieferten kurzen Stahlstab durch ein längeres Exemplar (Baumarkt!) ersetzt, wird die Höhenverstellbarkeit auch für sehr groß Gewachsene hinreichend. Die Gitarre kann problemlos nach vorn oder hinten geneigt und gedreht werden. Die Verwendung eines gebogenen Stabes (Aluminiumrohr entsprechender Dicke kann „von Hand bearbeitet“ werden!) erlaubt abenteuerlichste Haltungsvarianten. Ein wenig Vorsicht bei Verwendung längerer Stäbe ist allerdings geboten: Aufgrund des größeren Hebels werden die Kräfte, die an der Stabaufnahme auf die Stütze einwirken, bei allzu „dynamischem“ Sitzen leicht so hoch, dass es zu Materialbrüchen kommen kann. Eher ruhiges und aufrechtes Sitzen sind also anzuraten. Der dick mit transparentem Kunststoff überzogener Klemmmechanismus der „GR 2“ gewährleistet sicheren Halt am Instrument, ohne dieses in irgendeiner Weise zu beschädigen oder in seinem Schwingungsverhalten zu beeinträchtigen.

Fast alle anderen derzeit erhältlichen Stützen werden an der Gitarre durch Saugnäpfe befestigt, die je nach ihrem Zustand sowie der Lackierung der Gitarrenzarge unterschiedlich gut haften – ein Manko, dem häufig nur mühsam abzuhelfen ist. Mitgelieferte Folie, die man bei offenporigem Lack auf die Zarge aufkleben kann, hält oft nur begrenzte Zeit. Besser ist es, die Zarge an den entsprechenden Stellen „glatt“ nachlackieren zu lassen oder aus transparentem „Schlagschutz“ (Flamencogitarre) Teile auszuschneiden und anstelle der Folie aufzukleben. (Schlagschutz ist in sich stabiler und haftet besser am Lack als Aufklebefolie, fällt zugleich optisch nicht mehr ins Gewicht als diese.) Dass Saugnäpfe und Zarge sauber und fettfrei sein sollen, versteht sich fast von selbst. Trotzdem verlieren Saugnäpfe an Haftung, wenn sie nach und nach immer „flacher“ werden, das Vakuum, das sie aufbauen können, sich also verringert. Dagegen hilft, die Näpfe kurzzeitig über kochendes Wasser zu halten. Man kann dabei beobachten, wie sie ihr früheres Volumen wieder zurückgewinnen.

Nun zu den – nach Beobachtungen des Verfassers – interessantesten und am weitesten verbreiteten Stützen mit Saugnapf:

„A-Frame“, aus den USA importiert, ist bezüglich ihrer Anpassbarkeit der „GR 2” fast gleich zu setzen. Bei ihr ergeben sich die unterschiedlichen Positionen und Halswinkel allerdings aus Verstellen eines Klettbandes bzw. Versetzen der Saug-näpfe an verschiedenste Stellen der Gitarrenzarge – es dauert schon seine Zeit, bis man weiß, welche Maßnahme welche Wirkung zeitigt. Dem gegenüber steht das vielleicht ästhetischste Erscheinungsbild aller Gitarrenstützen. Und auch hier ist ruhiges Sitzen angesagt: „A-Frame” ist verwindungsanfällig, bisweilen lösen sich auch die gesteckten Röhrchen-Verbindungen.

Die „Ergo“ aus deutscher Herstellung ist dagegen sehr unkompliziert zu handhaben, zudem vergleichsweise preiswert. Sie verfügt über keine eigentliche Höhen-verstellbarkeit. Lediglich der Halswinkel kann in recht großem Maß verändert werden – Höhenverstellung also nur für linken Arm und linke Hand, was in der Praxis allerdings auch meistens ausreicht, liegt der rechte Arm doch selten zu tief. Wer vor dem Anbringen der „Ergo” nicht dafür sorgt, dass die Ränder aller Näpfe gleichmäßig am Holz anliegen, programmiert das vorzeitige Ablösen des einen oder anderen Saugnapfes. Das bedeutet, die Neigung der beiden Stützenteile so zu bemessen, dass die Näpfe in gleicher Ebene bleiben, und die Position der Stütze an der Zarge sorgsam zu wählen. Unter Umständen ist es bei kleineren Gitarren auch nötig, die „Ergo” in ihrem spitzen Winkel noch ein wenig enger zu biegen – bisher sind, Aluminium sei Dank, keine Brüche zu verzeichnen!

Nach drei „großen” Stützen nun zu zwei „kleinen”:

Die „Gitano“ stellt womöglich die beliebteste Gitarrenstütze auf dem deutschen Markt dar. Befestigung mittels zweier Saugnäpfe, sehr klein und unauffällig, ähnlich preiswert wie die „Ergo“, an die Gitarre klappbar, von den Saugnäpfen abziehbar, so dass man die Stütze in immer wieder der gleichen Position anbringen kann. Höhenverstellung bezieht sich wieder nur auf die linke Hand und wird durch Versetzen der Stütze längs der Gitarrenzarge bewirkt. Achtung: Überlastung kann zum Ablösen des angeklebten Textilbandes führen!

Von ähnlich geringer Größe, noch etwas preiswerter, ebenfalls mit Saugnapf: das Modell „Efel“. Diese Stütze ist allerdings nur „am Stück” einsetzbar, kann also nicht weggeklappt oder zerlegt werden. Ansonsten Funktion wie bei der „Gitano”. Und auch hier Vorsicht vor Überlast: der Saugnapf bricht leicht!

Entscheidungshilfe:

Alle Gitarrenstützen führen in der Tendenz zu einer eher aufrechten Oberkörperhaltung, allein schon durch die im Vergleich zur Fußbankhaltung ergonomisch „bereinigte“ Situation im Bereich des linken Beins und der linken Hüfte. Trotzdem muss man zu einer der „großen“ Stützen raten, aus folgendem Grund: Die „Höhenverstellung“ der „kleinen” Stützen erfolgt durch Versetzen der Stütze längs der Zarge. Je höher, desto weiter im Bereich des großen Zargenbogens sitzt die Stütze. Dadurch ergibt sich, je höher man die Gitarre am Körper positioniert, desto stärker eine Linksverschiebung des Instruments und damit der Arbeitsbereiche beider Hände – ähnlich wie oder sogar noch stärker als bei der Fußbankhaltung. Die Folgen hinsichtlich Linkslastigkeit sind dementsprechend ebenso negativ wie bei der Fußbankhaltung oder sogar schlimmer.

Alternative:

Zum Schluss noch eine sehr preiswerte und im obigen Sinn überaus effektive Haltungshilfe. Sie hilft allen Problemen der Sitzhaltung ab, ohne neue Schwierigkeiten entstehen zu lassen. Sie ist zudem absolut geeignet für den professionellen Einsatz. Die Gitarre wird mit dem Schultergurt in eine Position zum Körper gebracht, welche symmetrische Haltung der Arme zur Körpermitte erlaubt. In dieser Lage wird das Instrument mittels eines weiteren Bandes oder einer Kordel um die Hüfte fixiert. (Spielt man auf Dauer in Stehhaltung, ist die Anbringung eines Knopfes im Unterklotz des Instrumentes sinnvoll, vorübergehend tut’s bei geschlossenporigem Lack auch ein besonders großer Saugnapf!) Diese Stehhaltung mit zwei Bändern ist für „Klassiker” gewöhnungsbedürftig, hat aber alle Vorteile auf ihrer Seite: aufgerichtete und symmetrische Körperhaltung, uneingeschränktes At-men, maximale körperliche Beweglichkeit, Freistellen des Körpers von jeglicher Haltearbeit.

Vielleicht noch ein kleiner Ausblick auf die „ideale“ Gitarrenstütze: Ihr Unterteil würde dem der „GR 2” entsprechen, also ein Formteil mit einer Aufnahme für einen Stab sein. Der Stab wäre teleskopierbar und würde an seinem oberen Ende ein kleines Kugelgelenk tragen. Dieses wäre fixierbar an einem Klemmteil, das aufgrund seiner flachen Bauart ständig an der Gitarre bleiben könnte. Der Klemmmechanismus könnte wie bei einer Schulterstütze für die Geige beschaffen sein. Alles Metall müsste selbstverständlich brüniert sein, nicht erst gegen Aufpreis. – Sonderbar, dass etwas derart Simples schon so lange auf sich warten lässt!